Die Begriffsdefinition
ist auch in der Literatur nicht einheitlich, über diese
Frage streiten sogar die Wissenschaftler. Ich würde beim
Lesenlernen grob 3 Schritte unterscheiden:
erste Stufe: Buchstaben
erkennen, Logos erkennen, Wortbilder erkennen (noch nicht Lesen
im eigentlichen Sinn, d.h. aus dem Erkennen des geschriebenen
Wortes wird noch kein Sinn abgeleitet)
zweite Stufe: zusammenziehen von Buchstaben zu Worten, deren
Sinn erkannt wird (also M-A-M-A buchstabieren, im Fluß
aussprechen und verstehen, daß damit Mama gemeint ist).
Das würde ich als Lesebeginn bezeichnen.
dritte Stufe: Worte im Kontext lesen, also z.B. eine geschriebene
Anordnung verstehen und ausführen, zusammenhängende
Texte bzw. Bücher lesen. Erst das ist Lesen im engeren Sinn.
Eine weitere Unterteilung
ist die in "Sichtlesen" und "alphabetisches Lesen".
Beim Sichtlesen werden Wortbilder wiedererkannt, beim alphabetischen
Lesen Wörter aus den einzelnen Buchstaben zusammengesetzt.
Bei einer (nicht repräsentativen) Umfrage unter den Eltern
der Mailingliste, wie sie Lesen gelernt hätten, wurde es
folgendermaßen beschrieben: erst kamen die Wortbilder (eine
reine "Gedächtnisleistung"), dann wurde buchstabiert
(schon eine "Leseleistung"). Später, beim Lesen
von Text, waren die Vorlieben unterschiedlich, es entstand eine
individuelle Mischform aus Sicht- und alphabetischem Lesen.
Die meisten "unserer"
Kinder in der Mailingliste können mit ca. zwei Jahren Buchstaben
erkennen, lernen bis zum 3. Geburtstag erst Logos, dann einzelne
Wortbilder zu erkennen, können dann irgendwann zwischen
3 und 4 Buchstaben zu Wörtern zusammenziehen und unbekannte
Wörter entschlüsslen und beginnen zwischen 4 und 5
mit dem Lesen im Kontext.
Auch Prof. Klaus Urban
und andere Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen Frühlesen
und Hochbegabung:
"Das Merkmal "frühes,
eigeninitiiertes und relativ selbständig gelerntes
Lesen" im Alter von etwa 4 Jahren ist mit Sicherheit ein
Zeichen von
besonderer Begabung."
K.Urban, besonders begabte Kinder im Vorschulalter (1990), S.184
Trotzdem darf man jetzt
nicht den direkten Schluß ziehen: Es gibt viele hochbegabte
Kinder, die erst in der Schule Lesen gelernt haben. Und umgekehrt
wird das Frühlesen sogar als Therapieform bei Down Syndrom
eingesetzt: über die Buchstaben und das Lesen lernen wird
Down-Kindern eine zusätzliche Kommunikationsmöglichkeit
geschaffen und damit die Kommunikationsfähigkeit und die
Gedächtnisleistung gefördert.
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Meine Antworten geben nur meine ganz persönliche Meinung wieder.
Meine An- und Einsichten über hochbegabte Kinder begründen sich
in erster Linie auf den Gesprächen in unserer Mailingliste,
auf diverse Literatur sowie auf das Zusammenleben mit meinen Kindern)